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Der Gebirgshirtenhund

Geschichte, Herkunft und Anerkennung der Rasse   

Erstmalig schrieb der Schriftsteller Karel Capek in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in einer Volkszeitung einen kleinen Artikel über einen Berghund in der Slowakei. Darin rief er dazu auf, die Rasse vor dem Aussterben zu bewahren. Er nannte diese Hunde "Fatransky Cuvas" (Fatransky Gebirge, "cuvas" = altslowakisch "hören").

Eine Schlüsselrolle in der Geschichte des Slovensky Cuvac nimmt der tschechische Wissenschaftler Prof. Dr. Antonin Hruza (geb. 1865, gest. 1950) ein. Nach dem Tiermedizinstudium in Wien war er Dozent und später Dekan der Tiermedizinischen Hochschule in Brno. Er gehörte zu den ersten Organisatoren der Kynologie in der neu gegründeten Tschechoslwakei und war Mitbegründer der ersten kynologischen Veröffentlichungen. Dr. Hruza vertschechischte "Cuvas" in "Cuvac". Ihm als Gründer der geregelten Zucht ist es zu verdanken, dass die Rasse Slovensky Cuvac erhalten blieb.

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Prof. Hruza beschreibt in seiner "Monographie der tschechoslowakischen National-Rassehunde" seine schwierige Suche mit Hilfe der Gendarmerie in den Gebirgslandschaften der Slowakei nach Hirtenhunden des reinrassigen Urtyps Slovenský Cuvac. Es fehlte nicht viel dazu, dass die Rasse aus dem Gedächtnis und aus der Welt verschwunden wäre.

 

Die Lebensbedingungen waren hart und die Verbindung zwischen Mensch und diesem "großen, selbstbewußten, kräftigen und ergebenen Hund" war stark. Der Charakter wird als "tapfer, unbestechlich, genügsam, widerstandsfähig" und das "ganz ohne Training", sozusagen von Natur aus, beschrieben. 

Vor Hunderten, ja sogar Tausenden Jahren erschienen im Kaukasus, in den Alpen und Pyrenäen große, weiße Hunde. Diese bildeten die Basis für mehrere Rassen, darunter auch den Slovensky Cuvac. Sie entwickelten sich aus einem doggenartigen Gebirgstyp mit langen Haaren am Körper und kurzen an Kopf und Läufen. Nach Dr. Hruza waren die Vorfahren des heutigen Slovensky Cuvac im 19. Jhdt. Berghunde vom Cuvac-Typ gekreuzt mit anderen Rassen. Diese Kreuzungen wurden Cuvas / Cuvac genannt. Das Wort leitet sich vom früheren Begriff "cut" = "hören" ( heute "pocut") ab, im goralischen Dialekt = "aufpassen, sich kümmern". Der Befehl der Hirten lautete "chod´ strazit" = "geh aufpassen" und "chod´cuvat" = "geh hören" ("Mach deine Arbeit"). Die eine Aufgabe des Hundes bei der Herde war der Schutz vor Wölfen, Bären und Dieben. Die andere, weit entfernte und verirrte Tiere wieder zurück zur Herde zu geleiten. Hunde, die ihre Arbeit nicht erfüllen konnten, wurden nicht in die Zucht genommen.

Einige Autoren führen an, dass der Slovensky Cuvac noch viel mehr kann. "Sein Körperbau ermöglicht Dauerlauf. Seine stark behaarten Läufe sind widerstandsfähig bei Frost und Schnee. Ein Vorteil auch die Schlappohren und das lange Haar als guter Schutz bei schlechtem Wetter."

Prof. Hruza erkannte die Ähnlichkeit der weißen Gebirgshunderassen in Europa und erwähnte deren nahe Verwandtschaft. In ähnlichen Regionen Europas entwickelten sich solche Hundetypen, jedoch ohne geregelte Zucht. Allerdings informierte er in seinem Werk über die Meinung des deutschen D.W. Mut, dass der Name "Kuvasz" vom türkischen Ausdruck "Kavac" = "bewaffnete Wächter; Gesandter; Konsul, der bewacht" oder dem arabischen "Kavys" = "Bogenschütze, Verteidiger"  stammt. D.W. Mut vertrat die Meinung, dass der Kuvasz ursprünglich keine ungarische Rasse gewesen war, sondern aus slowakischen Berghunden entstand. Laut Prof. Hruza hatte sich der Slowakische Cuvac in den hohen Bergen und der Ungarische Kuvasz in den ungarischen Ebenen so unterschiedlich entwickelt, dass sie heute zwei klar voneinander unterscheidbare Rassetypen sind.Gebirgh_IMG_9054_web.jpg

 

1934 hielt Prof. Hruza im Radio einen Vortrag über die Beziehung zwischen Slovensky Cuvac und dem Ungarischen Kuvasz. 1935 schrieb er in einer deutschen kynologischen Zeitung über diese Thematik. Dies löste heftige Reaktionen bei den ungarischen Kynologen hervor. Eine Extrapublikation über die Rassereinheit des ungarischen Kuvasz wurde in mehreren europäischen Sprachen herausgegeben. Die Gräfin Üchtritzova schrieb voller Nationalstolz in der ungarischen Zeitung " A Kutya ", dass der Slovensky Cuvac nur eine Unterart des Ungarischen Kuvasz wäre. Zuchtverantwortliche für den Slovensky Cuvac reagierten kritisch auf diese Äußerungen. Die polemischen Auseinandersetzungen führten zu weiteren Bestrebungen nach internationaler Anerkennung der Rasse Slovenský Cuvac.

 

Die organisierte Zucht begann mit den beiden Zuchthunden Jerry und Kora, die Dr. Hruza in der Slowakei aufgetrieben hatte. Die ersten Welpen aus dieser  Verbindung wurden am 04. Juni 1929 in das Zuchtbuch eingetragen. Die 1. Zuchtstätte hieß "Ze Zlaté studny" in Skalice nat Svitavou. Inhaber und Züchter dieser Zuchtstätte war Prof. Hruza´s Schwager Josef Skoupil. 1933 wurde der Rassehunde-Club für den "Tatra-Schäferhund" in Brno gegründet.

Der SC ist eine alte Rasse mit junger Geschichte. Der Weg zum heutigen Typ des SC ging über 3 markante Etappen:

1. Von den slowakischen Bergen herab erreichte der SC das Bewußtsein der Kynologischen
    Gesellschaft in der Slowakei.

2. Aufgrund von Forschungsergebnissen entstand eine genaue Vorstellung über Aussehen,
    Charakter und Eigenschaften mit Gründung eines ersten Zuchtbuchs und der 1. Zuchtorganisation.
    Der wissenschaftliche Beweis der Reinrassigkeit wurde durch die Basisgründung der Zucht
    gemäß gültigen Regeln der Rassehundezucht erbracht.

3. Systematische Bestrebungen führten zur Anerkennung der Rasse durch die FCI.

Der Slovensky Cuvac gehört nach Prof. Hruza´s Meinung zur Gruppe der großen, weißen und langhaarigen europäischen Hirtenhunde mit dunkelgefärbter Haut. Körperbau, Farbe, Fellbeschaffenheit und Verhalten, ebenso das Verbreitungsgebiet (älteste Spuren der Verbreitung) deuten laut ihm darauf hin, dass der Cuvac Nachfolger eines großen, weißen Polarhundes ist, der im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung aus dem südlichen Teil von Schweden nach Südeuropa gebracht wurde.

Zu Beginn waren 2 Varietäten anerkannt: Der große Berghundtyp, Rüden mit ca. 65 cm Schulterhöhe, Hündinnen mit ca. 60 cm, Gewicht ca. 35-45 kg und der kleinere Steppenhundtyp mit ca. 40 - 50 cm Schulterhöhe, Gewicht 20-25 kg. Beide Typen wurden gekreuzt und Unterschiede vereinheitlicht. Der kleinere Typ verschwand immer mehr und ist heute bis auf wenige Ausnahmen kaum noch anzutreffen.

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Das Zuchtbuch wurde anfänglich von Dr. Jaroslav Kabrt, Assistent von Prof. Hruza geführt, später von Rudolf Mifek. Jeder Wurf wurde dokumentiert und in das Zuchtbuch aufgenommen. Viele der Welpenbesitzer wurden Mitglied im tschechoslowakischen Club.

Im zweiten Weltkrieg kam in Folge der deutschen Besatzung die systematische Zucht zum Erliegen. Nach Ende des Krieges hatten sich die Bedingungen zwar verbessert, doch die Zuchtbucharbeit wurde in Brno erst nach dem Tod von Prof. Hruza erneut wieder aufgenommen. In Tschechien und Mähren gab es das größte Interesse an Slovensky Cuvac - Welpen.

Nach der kommunistischen Regierungsübernahme 1948 wurde die Zucht und Arbeit der tschechoslowakischen Kynologie neu organisiert und kontrolliert. 1958 übernahm der CSCHDZ ("Tschechoslowakischer Zuchtverband für Kleintiere") die Zuchtverwaltung vom tschechoslowakischen Jagdhundeverband. Antonin Novak führte das Zuchtbuch mit der damaligen Vorsitzenden Maria Sponarova und dem Clubsekretär JUDr. Cestmir Hruza, dem Sohn des ehemaligen Präsidenten des Clubs. 1961 wurde die Zuchtbuchverwaltung nach Bratislava verlegt. Das Slowakische Kommitee subventionierte mit 30 000 Kcs den Einkauf von Zuchtmaterial in Form junger Slovensky Cuvac-Hündinnen. Damals begann der entscheidende und schwierige Kampf um Anerkennung auf internationaler Ebene (FCI). Schwierig vor allem deswegen, da der CSCHDZ und dessen Komitee nicht in der FCI vertreten waren.

Delegierte aus dem tschechoslowakischen Jagdhundeverband, der wiederum der FCI angeschlossen war, sollten die Rasse Slovensky Cuvac für eine Aufnahme in die FCI vorschlagen. Aus Solidarität mit dem sozialistischen Ungarn, das auf der einzigen Rasse Kuvasz bestand, unterließen sie dies. Erst als der Standard für den Polski Owczarek Podhalanski (Tatrahund) durch das Nachbarland Polen 1961 von der FCI anerkannt wurde, machte sich der Jagdhundeverband für die Rasse stark und schlug den Slovensky Cuvac für eine Anerkennung in der FCI auf der Basis der Monographie von Prof. Hruza vor.

Auf der Konferenz der FCI 1965 in Prag wurden detaillierte Vorschläge inklusive weiterer Dokumente aus Versehen gar nicht vorgelegt. Die tschechoslowakische Vertreterin in der Standard-Kommission Dr. Ludmilla Laufbergerova meldete  nachträglich den Slovensky Cuvac als Rassevorschlag an, der Zuchtberater Dr. Vilem Kurz legte ein Duplikat des Standards gemeinsam mit einer Publikation "Slowakische Trachten in der Vergangenheit" vor, die Slovensky Cuvac mit Schäfern und Schafen in den slowakischen Bergen abgebildet zeigte. In der Zwischenzeit erhielt der Leiter der kynologischen Fachabteilung Ing. Vladimir Nachtigall den beglaubigten Originalstandard mit einer Beilage von Fotographien vom tschechischen Jagdhundeverband und konnte diese Unterlagen der FCI-Kommission noch rechtzeitig vorlegen.
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Frau Dr. Laufbergerova trug der FCI-Kommission in perfektem Französisch vor und räumte den Einwand bezüglich der Ähnlichkeit des Namens "Tatransky Cuvac" mit dem polnischen "Tatrahund" schnell aus, indem sie aus "Tatransky" spontan "Slovensky" machte. Infolgedessen wurde der Standard anerkannt.

 

 

Auf der Welthundeausstellung in Brno wurden eine Woche später bereits 20 Slovensky Cuvac unter dem neuen Standard, Nr. 142 präsentiert. Der Richter Dr. Sloboda Pavlovic, Prof. der Zootechnik der Vet.-Universität Belgrad, bestätigte den Standard in Bezug auf die Größe 59-70 cm. Der Ungarische Kynolog. Verband legte Einspruch gegen die Genehmigung des Standards des Slovensky Cuvac ein, aufgrund einer Arbeit von Dr. Zoltan Balassy, worin die Ursprünglichkeit dieses Hundetyps dem Kuvasz zugesprochen wurde.

Die FCI beauftragte daraufhin im Juni 1968 Prof. Pavlovic, die Arbeiten von Dr. Vilem Kurz und Dr. Zoltan Balassy zu vergleichen und den Disput zu einem Abschluss zu bringen. In einer außerordentlichen Sitzung der FCI am 10./11. Januar 1969 wurde der Standard für den Slovensky Cuvac endgültig anerkannt - 100 Jahre nach der Geburt von Prof. Dr. Antonin Hruza.

Dr. Ing. Vilem Kurz führte die weitere Zucht und Organisation der Rasse fort. Er war jahrelang Präsident des Clubs und Züchter des Slovensky Cuvac. Dr. Kurz bestätigte anhand verschiedener gesammelter Unterlagen und nach den genetischen Gesetzen den Ursprung des Slovensky Cuvac als slowakische Rasse. Die Zucht sollte als sogenannte Auswahlzucht drei Kriterien erfüllen: Gebrauchstüchtigkeit, Fruchtbarkeit und Auslese. Nach diesen Kriterien wurde die Zucht planmäßig vorangetrieben.

 

(Quellen: "Monografie o ceskoslovenském národním plemeni psu" von Prof. Dr. Hruza, "Slovensky Cuvac" von Marián Malec und Marian Vanek)